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Sterilisation bei jungen Frauen: Zwischen Recht und Realität

Sterilisation bei jungen Frauen: Zwischen Recht und RealitätSterilisation bei jungen Frauen: Zwischen Recht und RealitätWollen sich Frauen unter 25 sterilisieren lassen, haben sie allerlei Hürden zu überwinden.In Deutschland dürfen sich Frauen ab 18 Jahren sterilisieren lassen. Doch es gibt kaum Ärztinnen und Ärzte, die den Eingriff bei jungen, kinderlosen Frauen vornehmen – obwohl medizinisch nichts dagegen spricht. Die Frauen könnten den Eingriff später bereuen, heißt es. Forschungen belegen: Das ist nur die halbe Wahrheit.Der Traumprinz, der plötzlich doch noch angeritten kommt, und bei der Frau, die sich 20, 30, 40 Jahre sicher war, keine eigenen Kinder haben zu wollen, einen plötzlichen Kinderwunsch auslöst. Es ist der Lieblingssatz von Katia von der Heydt im Bullshit-Bingo. „Der kommt einfach immer“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Ganz so, als müsste man Frauen nur den richtigen Mann vorsetzen, damit der als häufig von der Gesellschaft als natürlich vorausgesetzte Kinderwunsch doch noch aufkommt.Der vermeintliche Traumprinz, er ist einer der Gründe, warum Frauen im Jahr 2025 um ihre Selbstbestimmung kämpfen müssen. Nämlich, wenn es um Sterilisation geht. Nach deutschem Gesetz haben mündige Frauen ab 18 Jahren die Möglichkeit, sich sterilisieren zu lassen. De facto gibt es aber kaum Ärztinnen und Ärzte, die eine Sterilisation in jungem Alter durchführen – einige verweigern den Eingriff sogar, wenn die Frau aus gesundheitlichen Gründen keine Kinder bekommen soll oder darf. Rechtlich ist das möglich, weil Ärztinnen und Ärzte Operationen, die nicht medizinisch notwendig sind, ablehnen dürfen.Medizinisch ist es kein Unterschied, ob die Frau bei der Sterilisation 20 oder 40 istNur 29 Praxen in ganz Deutschland, die eine Sterilisation ohne Altersgrenze anbieten, listet der Verein „Selbstbestimmt steril“. Er setzt sich seit 2019 für das Recht auf Sterilisation ein. Katia von der Heydt ist zweite Vorsitzende und weiß um die Hürden, die Frauen häufig erleben. Dass viele jahrelang kämpfen, psychologische Gutachten gefordert werden und angelogen werden. „Wir hören immer wieder, dass der Arzt es mit der Behauptung ablehnt, dass er es nicht dürfe oder Unterhalt zahlen müsse, sollte die Frau trotzdem schwanger werden“, sagt sie.Medizinisch spricht erst einmal nichts gegen eine Sterilisation bei jungen Frauen, wenngleich jede Operation ein gewisses Risiko birgt. Bei einer Bauchspiegelung werden die beiden Eileiter verklebt, verödet oder durchtrennt. Damit können vom Eierstock produzierte Eizellen und Sperma im Eileiter nicht mehr aufeinandertreffen, es kann also keine Schwangerschaft mehr entstehen. Der Eingriff dauert 20 bis 60 Minuten und kostet zwischen 400 und 1000 Euro, die in der Regel selbst zu bezahlen sind.Gynäkologe warnt vor später unerfülltem KinderwunschDiskutiert wird trotzdem. „Im Leben ändert sich so vieles, was man mit 20, 22 Jahren noch nicht überblicken kann. Keiner weiß, welche Kurven das Leben nimmt“, sagt Gynäkologe Axel Valet, „und dann bereut man den Schritt mit 28 vielleicht. Das ist dann eine Katastrophe.“ Im vierstelligen Bereich, sagt er, habe er Sterilisationen durchgeführt. Bei Frauen unter 26, 27 Jahren allerdings nur, wenn es medizinische Gründe gibt.Natürlich kann eine 18-Jährige schwanger werden, wenn sie dies wünscht, das ist ihre Entscheidung. Wer bin ich, dass ich ihr das irgendwie untersage?Axel Valet,Gynäkologe„Es geht nicht ums Bevormunden, es geht darum, einen gemeinsamen Weg zu finden, der vielleicht eine Alternative darstellt“, sagt Valet. „Natürlich wird die Frau nicht auf den Uterus reduziert. Die Patientin leidet am ganzen Körper, wenn sie später einen unerfüllten Kinderwunsch hat.“ Deshalb schlägt er bei jüngeren Frauen die Hormonspirale vor, die sei genauso sicher wie eine Sterilisation. Das Argument, dass manche Frauen keine Hormone nehmen möchten, weist er zurück: „Die Hormone der Hormonspirale wirken lokal in der Gebärmutterhöhle.“Jede fünfte Frau bereut ihre SterilisationVon der Heydt widerspricht. Selbstbestimmung sei zentral. Und überall dort, wo Menschen selbstbestimmt entscheiden können, gibt es die Möglichkeit, diese Entscheidung zu bereuen. „Man kann sich auch für den falschen Job entscheiden, für ein falsches Studium, eine Beziehung, die nicht gut für einen ist“, sagt sie. Frauen sollten sich ob ihrer Entscheidung sicher sein – und müssen dann auch mit den Konsequenzen leben. Wie in jeder Lebenssituation.„Ich habe geweint vor Glück, weil die Sterilisation so eine Erleichterung war“Die Sterilisation ist die sicherste Verhütung vor einer ungewollten Schwangerschaft – sie ist allerdings auch nicht ganz unumstritten: Gerade wenn sich junge, noch kinderlose Frauen sterilisieren lassen wollen, stößt das oft auf Unverständnis. Vier von ihnen berichten von dem langen Weg zum gewünschten Eingriff.Das Thema Reue ist der am häufigsten angeführte Kritikpunkt bei einer Sterilisation im jungen Alter. Die Studienlage ist dünn, veraltet und nicht auf Deutschland bezogen. Dennoch lässt sich ein wenig ableiten. So fand die Wissenschaft in den USA 1999 heraus, dass 20,3 Prozent der Frauen, die unter 30 Jahren eine Sterilisation machen ließen, diese bereuen. Spätere Studien in anderen Ländern kamen zu einem ähnlichen Ergebnis.Am häufigsten bereut haben Frauen ihre Sterilisation, wenn sie zuvor schon Kinder hatten. Sind die Kinder älter, wächst offenbar die Sehnsucht, wieder ein Baby zu haben. Auch hier gibt es eine Diskrepanz mit der Realität, denn viele Ärztinnen und Ärzte sterilisieren Frauen nur, wenn sie bereits mindestens ein Kind haben – für Mütter ist es deutlich einfacher, eine Anlaufstelle zu finden als für Frauen, die gewollt kinderlos sind. „Für uns als Verein ist klar, dass man keine Kinder haben muss, um die Familienplanung abgeschlossen zu haben“, sagt von der Heydt.Jede fünfte Frau in Deutschland bereut es, Mutter geworden zu seinDas Argument Reue greift zudem nicht wirklich weit. Denn es wird ausgeblendet, dass Frauen auch die Entscheidung, ein Kind bekommen zu haben, bereuen können. Das Kind ist, genau wie die Sterilisation, nicht mehr rückgängig zu machen. Den Begriff „Regretting Motherhood“ hat eine israelische Soziologin 2015 geprägt. Sie sprach in einer Studie mit 23 Frauen, die es bereuen, Kinder bekommen zu haben.Es ist gesellschaftlich irgendwie immer noch das höchste Ziel, das man als Frau erreichen kann. Aber Regretting Motherhood schweigen wir still, weil das ja nicht sein darf. Da interessiert die Reue niemanden.Katia von der Heydt,2. Vorsitzende von „Selbstbestimmt steril“Auch in Deutschland ist das Phänomen, das weithin als Tabu gilt, verbreitet. Laut einer repräsentativen YouGov-Befragung aus dem Jahr 2016 bereuen 19 Prozent der Mütter und 20 Prozent der Väter in Deutschland, Eltern geworden zu sein. Als Gründe gaben sie an, beruflich weniger erfolgreich zu sein, sich persönlich stark einschränken zu müssen, mit Problemen wie fehlender Kinderbetreuung zu hadern und utopischen Erwartungen an Mütter seitens der Gesellschaft ausgesetzt zu sein.Frauenrechtlerin: „Bei Regretting Motherhood interessiert Reue auch niemanden“Valet lässt das als Argument nicht gelten. „In meinen 40 Jahren als Arzt hat mir noch keine Frau, die sich in jungen Jahren ein Kind wünschte, gesagt, dass sie es bereut, ein Kind bekommen zu haben.“ Deshalb ist für ihn auch klar, dass er bei einer 18-Jährigen keine Sterilisation durchführt, in Bezug auf einen frühen Kinderwunsch aber nicht interveniert. „Natürlich kann eine 18-Jährige schwanger werden, wenn sie dies wünscht, das ist ihre Entscheidung. Wer bin ich, dass ich ihr das irgendwie untersage?“Für von der Heydt ist das Doppelmoral. „Ich finde es schwierig, mit Reue zu argumentieren, während Geburten gefeiert werden. Es ist gesellschaftlich irgendwie immer noch das höchste Ziel, das man als Frau erreichen kann. Aber Regretting Motherhood schweigen wir still, weil das ja nicht sein darf. Da interessiert die Reue niemanden.“ Es hätten sich schon Frauen an den Verein gewendet, die jahrelang keinen Sex hatten, aus Angst davor, ungewollt schwanger zu werden. „Und sie werden einfach nicht ernst genommen und das macht auch psychisch viel mit diesen Frauen.“Wie groß die Problematik ist, ist unklar. Valet sagt, dass er maximal zehn Patientinnen hatte, die in jungem Alter sterilisiert werden wollten. Von der Heydt hingegen berichtet, dass sich beim Verein – der auf Social Media sehr aktiv ist – „sehr viele“ junge Frauen melden. Auch wenn es bisher keine Rückmeldung gegeben habe, dass eine Frau ihre Sterilisation bereut, will der Verein bald eine Erhebung starten. „Das ist super, super hart, wenn nach der Sterilisation ein Kinderwunsch aufkommt“, sagt sie.Künstliche Befruchtung ist trotz Sterilisation möglichEine kleine Chance auf einen Ausweg haben Sterilisierte allerdings. Da die Eileiter verklebt, verödet oder durchtrennt werden, kann die Frau noch via künstlicher Befruchtung schwanger werden. Die Wahrscheinlichkeit, im ersten Zyklus schwanger zu werden, liegt bei etwa 31 Prozent, die Wahrscheinlichkeit lässt sich aber mit mehreren Zyklen auf bis zu rund 80 Prozent steigern.KostenpflichtigBewusst kinderfrei: Warum Frauen keine Mütter werden wollenKostenpflichtigAutorin de Velasco erzählt, warum das Leben auch ohne Kinder schön sein kannDer Weg zum Wunschkind: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur künstlichen Befruchtung„Man muss aber dazu sagen: Künstliche Befruchtung ist ein Privileg und teuer. Wenn man sich dafür entscheidet, sich sterilisieren zu lassen, sollte man das nicht mit dem Hintergedanken machen, dass es mit der künstlichen Befruchtung noch einen Plan B gibt“, sagt von der Heydt. Pro Zyklus fallen bei der künstlichen Befruchtung 3000 bis 5000 Euro an.Junge Frauen sind in dieser Angelegenheit übrigens nicht allein: Viele Urologinnen und Urologen weigern sich ebenfalls, Männer unter 30 zu sterilisieren. Die Gründe sind identisch mit denen bei Frauen, das Thema Reue zentral. Auf der Website „Vasektomie Experten“ heißt es etwa: „Aus diesem Grund sollten kinderlose Männer unter 30 Jahren in der Regel nicht vasektomiert werden.“

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